Herz der Finsternis, verhudelt
Kunstsammlungen Jena

Heart of Darkness, muddled
Kunstsammlungen Jena

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Text von Erik Stephan, Kurator der Kunstsammlungen


Die Ausstellung bezieht sich auf Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis von 1899.
Dieser metapherngeladene Text selbst hat eine dichte Rezeptionsgeschichte erzeugt, er ist als Reisebericht, als Krimi, als Kolonialkritik und als psychologische Reise in die Dunkelheiten der Seele gelesen worden. Die Reise als Erkenntnisform spielt in der Ausstellung mehrfach eine Rolle, sowohl in verschiedenen Arbeiten als auch in den Räumen selbst.

Elf Räume reihen sich in der Ausstellung aneinander und ergeben eine verschlungene Linie, wie in Conrads Text der Fluss im Kongo, den das Dampfschiff hinaufkriecht, immer tiefer in den Busch hinein. Das Verhältnis und Verständnis von Kultur, Gewalt, Zivilisation und Barbarei kehrt sich auf dieser Reise mehrfach um. Das Ziel der Reise im Buch ist der Handelsagent Kurtz, der im Dschungel Elfenbein sammelt und eine wahnsinnig gewordene Schreckensherrschaft über die Eingeborenen errichtet hat. Machtgier und Größenwahn haben ihn zu einem in der Handelsgesellschaft verehrten Mann gemacht, der die größten Mengen an Elfenbein liefert. Rituale umgeben ihn und aufgespießte Köpfe zieren sein Lager. Kaptialismus ist bei Conrad zum brutalen Kult geworden. In der Ausstellung in Jena liegen diese Themen als roter Faden unter vielen der Arbeiten, durch die der Betrachter gleichsam reist.

Heute, 2014, im Anbetracht von Finanzkrisen und wahnsinnigen Spekulanten mag die Symbolik aus Conrads Erzählung durchaus gerechtfertigt sein. Die großen Erzählungen des letzten Jahrhunderts haben sich jedoch in viele kleine, lokale und temporäre Diskurse zerfasert, die aufeinander einwirken. Das Herz der Finsternis breitet sich aus, aber es ist verhudelt. Schludern, Pfuschen, hektisch sein: Ein unscharfer Begriff aus dem Dialekt, der den dramatischen Titel Conrads in eine andere Richtung dreht.

Diese Vielzahl an Diskursen sind ein Zugang zum Raum mit den Gastkünstlern. Verschiedene Stimmen kommen durch sie in diese dunkle Reise. Ein Kabinett der Stimmenvielfalt, oder Geräuschvielfalt könnte man sagen, das Abzweigungen anbietet, von einem Weg der bestimmend und unausweichlich erscheint.
Wenn ich eine Parallele zur Erzählung Conrads wage, dann entsprechen die Kunstwerke der Gäste dem Mann, der bei Kurtz im Dschungel ist, im Buch ist es ein Russe, im Film von Coppola ist es ein verrückter Photojournalist.
Er ist die einzige der Reflektion fähige Person, die eine dritte Position aufmachen könnte.

 


The exhibition relaties to Joseph Conrads Heart of Darkness, written in 1899.
This text, loaded with metaphors, has created a dense history of reception. It was understood as account of a journey, as criminal story, as critique of colonialism and as a psychological journey into the darkness of our souls. Journeys as form of knowledge creation play a role in various works of the show.
Eleven rooms line up in the exhibition and create an intertwined way like the river Kongo in Conrads narrative. The steamboot crawls up the river, deeper and deeper into the jungle.
The relation and understanding of culture, civilisation, violence and barbarism turns several times. In the book, the destination of the journey is the business agent Kurtz, who collects ivory in the jungle, and has established a reign of terror among the natives. Lust for power and megalomania have made him into a man, adored by the trading company, who delivers the biggest amounts of ivory. Rituals surround him, and heads on sticks decorate his camp in the jungle. Capitalism has turned in the narrative into a brutal cult. Within the exhibition in Jena, this issues are the recurrent theme of many works, through which the observer ‘travels’.

Today, in the year 2014, considering the financial crisis and mad speculants, the symbolism in Conrads text seems justified. The big meta stories of the last century nevertheless have frayed out into many lokal and temporary discursive tales. The heart of Darkness is spreading, but it is muddled. Muddeling, botching, bustle: blurry terms from the vernacular, turning the dramatic title of Conrads text into another direction.


This plurality of discursive forms is one access towards the works of the guests. Different voices appear through their art works within this dark journey. A room of plurality of voices, offering junctions and diversions from a way, which seems unavoidable.

If I would dare to parallel the works of the guests to the text, they would correlate with the man who is with Kurtz in the jungle. In the book it is a Russian, in Coppolas film (Apocalypse now) it is the crazy photographer. He is the only person able to reflect what is going on, the only one who has the power to establish a third, outside position.

 

 

   

Foto: Steffen Weiß

 

     
                       
                                         


Foto: Steffen Weiß

 
Foto: Steffen Weiß
 
Foto: Steffen Weiß
           
                                                               

Foto: Steffen Weiß
             
                             
                                 
 

Foto: Steffen Weiß

 

   
 
     
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Foto: Steffen Weiß
 
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Foto: Steffen Weiß
           
                 

Foto: Steffen Weiß

 
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