Das Projekt "Arbeitsgeist"
untersucht Begriffe wie Arbeit, Muße, Hobby, Erwerbsarbeit, Tätigsein, Faulheit
und Schaffen. Es versucht sie neu zu bewerten und zueinander in Beziehung zu
setzen. Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft drängen
die Frage auf: Wie sieht die Alternative zur Arbeitsgesellschaft aus? Wäre eine
Gesellschaft, für die nicht mehr "Arbeit um jeden Preis" das Ideal ist, noch
die unsere? Im Laufe der Zeit wurde Arbeit sehr verschieden bewertet. Die Griechen
verachteten Arbeit, und uns scheint sie heute das wichtigste im Leben zu sein.
Arbeit wurde ritualisiert, mit dem "Tagewerk" integrierte man sich in der Gemeinschaft.
Das verstärkte sich mit dem Aufkommen einer evangelischen Arbeitsethik, die
sich sehr gut zum Missbrauch durch Machthaber eignet, und führte zu Arbeitsfetischismus.
Etwas verkürzt gesagt. In den Texten von Marx gibt es einen Grundwiderspruch,
in dem sich das Dilemma ganz gut abbildet, in dem wir uns immer wieder befinden:
Auf der einen Seite bezeichnet er Arbeit als Stoffwechsel mit der Natur, als
Menschwerdung und auf der anderen Seite steht sein Versuch, den Menschen von
der Versklavung durch Arbeit zu befreien. Eine klassische Position unseres Jahrhunderts
entwickelte Hannah Arendt, die in Arbeiten, Handeln und Werken unterschied,
aktuellere Ansätze sind die radikale Flexibilisierung (Richard Senett), die
Institutionalisierung eines "Dritten Sektors" (Jeremy Rifkin) oder Ulrich Becks
Ansatz alternativer Formen von Tätigkeit "Bürgerarbeit und Bürgergeld". Der
Kulturbereich mit seiner selbstmotivierten Aktivität und der Künstler als Modell
für sinngebende und integrative Tätigkeitsformen werden von Thomas Röbke untersucht.
Alles deutet darauf hin, daß wir erneut vor einer grundlegenden Umbewertung
der Arbeit stehen. Hinter all dem steht die Frage nach dem tieferen Sinn von
Arbeit oder Ruhe: Geht's hier wirklich nur um Geld? Einen herrlichen Kommentar
gibt Paul Lafargue - der Schwiegersohn von Karl Marx - mit seinem Büchlein "Das
Recht auf Faulheit"(1883). "Gott gibt seinen Verehrern das erhabenste Beispiel
idealer Faulheit: nach sechs Tagen Arbeit ruht er auf alle Ewigkeit aus", schrieb
er und argumentierte gegen das "Verheizen" der einfachen Arbeiter für "die Reichen".
Auch wenn das ideologisch daherkommt, fragt er doch wunderbar nach dem Sinn
der Arbeit an sich - und nach der Ruhe ("Faulheit"). Man kann seine Thesen heute
genauso auf die sogenannte "Besserverdiener" anwenden. 14 Stunden im Büro, die
sogenannte Freizeit reduziert sich auf Regeneration für die nächsten 14 Stunden,
man sieht soziale Kontakte zu Geschäftskontakten degenerieren und muß auch sie
bedienen. Der ökonomischen Zwang zum Geldverdienen ist eine unheilige Allianz
mit dem gesellschaftlichen und moralischen Druck eingegangen, arbeiten zu müssen,
"etwas zu taugen". Dieser Druck verdunkelt die Sinnfrage ganz erheblich, und
wird fatalerweise auf die, die keine Arbeit haben, noch verstärkt weitergegeben:
Sie definieren sich nur in Beziehung zur Arbeit, die sie nicht haben, werden
damit von Regeln eines Spieles geprägt von dem sie ausgeschlossen sind. Es scheint
heute jedoch weniger darauf anzukommen, unbedingt wieder in diesem "Spiel" mitzutun,
als vielmehr ein NEUES SPIEL zu entwerfen, dessen moralische und finanzielle
Regeln zeitgemäßer sind. "Arbeitsgeist" setzt künstlerische Mittel ein, um Zugänge
zum Themenkomplex "Arbeit" zu öffnen, die durch andere Methoden nicht geöffnet
werden. Auch wenn das Thema überall zu finden ist, heißt das nicht, daß es wirklich
diskutiert wird. Ein Politiker, der sich zu sagen traute, daß es keine Arbeit
mehr gibt, würde nicht wieder gewählt. Funktionsträger tun das, was sie müssen:
sie funktionieren und versuchen Auswirkungen zu korrigieren und seltener Ursachen
zu verändern oder gar Visionen zu entwickeln. Durch neue Versprechen von Arbeitsplätzen
oder kurzfristig wirkenden Maßnahmen wird das Problem regelrecht noch verschlimmert:
Alle starren auf die verbleibende Erwerbsarbeit, und steigern hysterisch deren
Wert zum Maß aller Dinge. Könnte die schlechte Nachricht Arbeitslosigkeit nicht
vielleicht auch eine gute Nachricht sein? Endlich haben wir die Chance, freigesetzte
Zeit zu verteilen und "Lebenszeit" zurückzubekommen, die sonst von Arbeit gefressen
wird. Wie gut wir doch konditioniert sind: Eigentlich müssten wir uns darum
balgen, ZEIT zu erhalten. Unter Fachleuten werden die Fragen längst diskutiert,
und die Antwort ist klar: Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus. "Armut
an Arbeit ist Reichtum an Zeit" formuliert André Gorz seine Vision. Es gäbe
zahllose Möglichkeiten tätig zu werden und Mittel das zu finanzieren. Diese
Möglichkeiten befinden sich jedoch noch meist außerhalb des Wertgefüges, das
in unserer Gesellschaft zur Integration dient. Schlimmer noch: In dieses Wertgefüge
versucht man Tätigkeiten zu pressen, die dort nichts zu suchen haben. Das zeigt
sich sogar in der Sprache: Beziehungs-Arbeit, Denk-Arbeit. Fatal daran ist,
daß in diesen Fällen der Sinn von der eigentlichen Tätigkeit abgezogen wird,
und nur noch im Feld einer Arbeitseffizienz wahrnehmbar wird. "Arbeit frißt
den Sinn" könnte man das nennen. Alle Tätigkeit wird Erwerbsarbeit angenähert.
Professionell wird mit "Gut" gleichgesetzt, wobei es nichts anderes meint, als
daß etwas als Beruf gegen Bezahlung ausgeübt wird. Arbeit wird dadurch eng an
den Geldkreislauf gekoppelt. Heute scheint Öffentlichkeit im wesentlichen eine
ökonomische Öffentlichkeit zu sein, Konsum und Produktion sind Ende und Anfang
des Tuns, die großen Themen sind ökonomisch zentriert. Die Bindung an Arbeit
und Geld konstituiert das Miteinander. "Arbeitsgeist" versteht sich als Forum,
in dem diese Fragen behandelt werden, und das Projekt versucht an der Entstehung
des NEUEN SPIELES mitzuwirken. Einen alten Herren am Schluß zitiert: "Muße ist
die Schwester der Freiheit". Sokrates soll es gesagt haben. Henrik Schrat, 07/2000
Trebor
Scholz
Worum gehts? Ein einführender Text.