Ali Baba und die 
              40 Räuber oder Simeliberg   
            Wenn man im Traum von Monstern 
              attackiert wird, nervt das meist, aber es kann noch schrecklicher 
              sein, wenn kein Monster da ist. Wenn die Bedrohung keine Gestalt 
              hat, wird es richtig übel. Eine leere Stadt, und irgendwo lauert 
              irgendwas. Darüber kann auch die himmlische Ruhe und das Idyll 
              nicht hinwegtäuschen. Viele Geschichten haben diese Plotvorlage 
              benutzt, unsichtbare Wesen oder einfach das Fehlen des Gegners oder 
              das System selbst greift an. Dann wird sinnlos in der Gegend herum 
              geballert, bis der Wahnsinn sich wohltuend auf die Nerven senkt. 
              Wenn es doch ein konkretes Monster gibt, dann wundert es sich wohl, 
              dass man sich selbst heftig kneift um aufzuwachen, statt die Wumme 
              hochzureißen oder wegzulaufen. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise 
              dürfte so schon viele blaue Flecke erzeugt haben. Die alptraumhaften 
              Qualitäten der momentanen Krise möchte ich ergänzen 
              um eine märchenhafte.  
              Es gibt eine gut passende Parabel für’s Zeitgeschehen 
              aus dem Märchenfundus. So global wie die Krise, so global auch 
              dieses Märchen: Es kommt in 1001 Nacht vor, dort heisst es 
              Ali Baba und die 40 Räuber, und es ist ähnlich auch bei 
              den Gebrüdern Grimm zu finden, unter dem Namen Simeliberg. 
               
              Die Grimms handeln es auf einer Seite ab, die Araber brauchen dafür 
              Zwanzig. Die schlaue Sheherezade besänftigt mit ihren 1001 
              Geschichten einen Jungfrauen mordenden Sultan wie wir wissen. Fast 
              alle Windungen der Geschichte bieten sich als Vergleich an, wenn 
              man die Krise im Blick behält. Deshalb werde ich sie kurz nacherzählen. 
               
              Es gibt zwei Brüder. Einer arm und bescheiden, einer reich 
              und gierig. Bei den Grimms sieht der Arme im Wald 12 Räuber, 
              versteckt sich auf einem Baum, und erlebt, wie auf die Zauberformel 
              BERG SEMSI; TU DICH AUF der kahle Berg sich öffnet, und die 
              Räuber darin verschwinden. Nachdem sie wieder abgezogen sind, 
              versucht es der arme Bruder selbst und findet sich in einer Schatzkammer 
              wieder. Er den Pincode der Bande ausgespäht und überweist 
              sich selbst ein paar Euros. Nicht viel. Er geht heim und sein Bruder 
              erfährt davon. Der zieht mit einem Karren los, um ihn mit Gold 
              zu beladen, kommt in den Berg und packt ordentlich auf. Jedoch, 
              als er hinaus möchte, hat er vor Aufregung und Gier den Code 
              vergessen. Er ruft alles was im einfällt, aber muss im Berg 
              bleiben. Bis irgendwann die Räuber zurückkommen und ihn 
              köpfen. Da hört’s auf bei den Grimms. In den Geschichten 
              aus 1001 Nacht geht es da erst richtig los. Die Araber haben es 
              schon damals begriffen, dass das vermeintliche Ende einer Geschichte 
              erst der Anfang des Dramas ist.  
              Das kann unmöglich hier alles erzählt werden, aber eine 
              Windung der Geschichte muss ich noch anfügen. Der gierige Bruder 
              wird nicht nur geköpft, sondern zur Abschreckung aufgespießt. 
              Ali, der arme Bruder, findet die Stücke irgendwann, bringt 
              sie nachhaus, verbindet einem Schneider die Augen, und der näht 
              Casim, den Bruder, wieder zusammen. Warum? Damit er eine gesellschaftlich 
              akzeptable Beerdigung haben kann. Ab hier wird die Geschichte verwickelt, 
              prachtvoll, der Schneider wird wichtig, die Kreidekreuze, die schlaue 
              Sklavin und das siedende Öl.  
              Mich treibt die Frage um, wer in unserer Krise wohl den Schneider 
              geben wird. ^ 
            Schrat, 03/09 
             
            
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            Ali Baba and the 
              40 thiefes or Simeliberg   
            If you are attacked in 
              your dreams by a monster it tends to be annoyingWenn man im Traum 
              von Monstern attackiert wird, nervt das meist, but it can be even 
              worse if there is no monster. If the threat has no face, things 
              get really gruesome. An empty city, and something lurking somewhere. 
              And the heavenly tranquil and idyll cannot disguise the fact. Many 
              stories use this basic plot, with the attack coming from invisible 
              beings or simply from the absence of an enemy, or by the system 
              itself. Then rounds of bullets get meaninglessly sprayed around, 
              until madness pleasantly comes to bear. If there is a real monster, 
              then it no doubt it is amazed that we pinch ourselves hard and wake 
              up instead of raising our gun or running off. The present economic 
              crisis has no doubt already left a few bruises. I want to supplement 
              the nightmare qualities of the current crisis with a few fairy-tale 
              like properties.  
               
              Among the fairy tales there is a fitting parable for life today. 
              And it is just as global as the crisis: It is told in one of the 
              “1001 Nights”, has to do with “Ali Baba and the 
              40 Thieves”, and is to be found in a similar vein in the Brothers 
              Grimm, where it is called “Simeliberg”.  
              The Grimms dash it off in only a page, whereas the Arabs need 20. 
              As we all know, smart Scheherazade uses her 1001 stories to sooth 
              a sultan hell-bent on murdering virgins. Almost all the story’s 
              twists and turns could serve as comparisons if we look at the crisis. 
              Which is why I will briefly recount them here. 
              There are two brothers. One poor and modest, the other rich and 
              greedy. In the Grimms’ tale, the poor brother sees 12 robbers 
              in the forest, hides behind a tree and witnesses how, instead of 
              uttering Open Sesame they say “Mt. Semsi; Open up”, 
              and the barren mountain opens and the robbers disappear into its 
              depths. Once they have left again, the poor brother tries it himself 
              and finds himself in a treasure chamber. Having spied the band’s 
              PIN code he transfers himself a few euros. Not much. And goes home, 
              where his brother hears what has happened. He heads off with a wheelbarrow 
              in order to load it up with gold, enters the mountain and stacks 
              the ingots up neatly on the cart. But on leaving he finds he has 
              been so worked up he has forgotten the code. He calls out everything 
              that comes to mind. To no avail At some point the robbers return 
              and chop off his head. There the Grimms’ tale stops. But in 
              the “1001 Nights” this is where the story really starts. 
              Back then, the Arabs had already realized that the ostensible end 
              of a story is the point where the drama really starts.  
               
              Now I cannot describe all that then happens here. But one twist 
              to the tale bears narrating: The greedy brother is not beheaded, 
              but impaled on a spear to deter others. Ali, the poor brother, at 
              some point finds the pieces, takes them home, binds a tailor’s 
              eyes, and he then sews Casim, the brother, back together again. 
              Why? So that he can have a socially acceptable burial. Now at this 
              point the story starts to meanders, becomes marvelous, the tailor’s 
              role becomes ever more important, the chalk crosses, the smart slave 
              and the boiling oil. 
               
              The question that interests 
              me is who in the current crisis will play the tailor.  
            Schrat, 03/09 
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