Vorwort zum Reader 'Raffinierter Überleben. Strategien in Kunst und Wirtschaft'
Hgg mit Mari Brellochs anlässlich des PRojektes 'PRodukt & Vision', 2004/205, Kunstfabrik am Flutgraben, Berlin

Das Hotelkonzert
Henrik Schrat


Gruppenfoto


Hektik herrscht am Set, Kulissen werden herbeigeholt, Schminkkoffer ausgepackt. Ein Gruppenfoto soll inszeniert werden. Der Fotograf richtet eine alte Plattenkamera ein und hat Blitzpulver aufgeschüttet. Er hat noch gut Zeit für eine Zigarette. Da passiert es ... Woosch. Aus Versehen gezündet. Viel zu viel Blitzpulver und noch nichts war fertig. Auf der Platte ist etwas zu sehen, das einmal ein Gruppenfoto werden sollte. Die Leute rennen durcheinander, stehen mit dem Rücken zur Kamera, malen sich gerade an. Außerdem ist das Bild überbelichtet. So könnte man den vorliegenden Reader beschreiben. Die Zusammenkunft findet übrigens auf der Freitreppe eines Hotels statt, auf das wir später noch zu sprechen kommen.


Gegenseitigkeit


Das, was im Kunstdiskurs unter ‚Wirtschaft' verstanden wird, hat wenig mit Wirtschaft und ihrem Selbstverständnis zu tun. Andersherum spiegelt in der Regel das, was im Wirtschaftsdiskurs unter Kunst verstanden wird, selten das wieder, was Experten unter Kunst verstehen. Damit meine ich nicht nur, dass die Kenntnis des jeweils anderen Feldes der internen hinterherhinkt. Honorable Wirtschaftsprofessoren operieren mit Kunstbegriffen, die aus der klassischen Moderne stammen, wichtige Kulturwissenschaftler sind mit einem Begriff von Wirtschaft unterwegs, dem die Große Rezession von 1929 noch bevorsteht. Das ist schade, aber wohl normal. Im Gegenteil: Wenn Künstler über Unternehmenstheorie schwadronieren oder Wissenschaftler über Kunst dilettieren - Arroganz beim Lesen kann Wesentliches verdecken. Die Linien des Nichtwissens sollten wir mit interessiertem Respekt versuchen zu erschließen. Sie sind eine gute Informationsquelle über das Andere. Dem Systemtheoretiker ist es unbenommen, professionell über das System Kunst zu schreiben, so wie ein Maler exzellente Porträts von Systemtheoretikern malen kann. Es geht aber auch um den Mut und die mögliche Peinlichkeit, wenn der Systemtheoretiker anfängt zu malen und der Künstler über Systemtheorie spricht. In den ‚Fehlern' könnte Wesentliches erkennbar sein. Um im Bild zu bleiben, enthält der Reader sowohl malende Maler als auch Maler, die über Systemtheorie schreiben.
In einem Artikel im Magazin Brand Eins wird Armin Chodzinski, Künstler, zitiert: "Einige Firmen suchen sogar, aber sie finden das intellektuelle Potenzial nicht (Potenzial bei Künstlern für Auseinandersetzung mit der Wirtschaft, Anm. d. Red.). Die Einzigen, die in der Kunst Themen komplex verhandeln, sind die linken Künstler, aber mit denen will niemand reden, weil sie in langweiligen Kategorien denken und ihr Gegenüber dämonisieren." Die Verdammung der Kulturindustrie durch die Frankfurter Schule winkt aus der Ferne.
Lange stand sie wie ein Monolith, versperrte manchmal die Sicht und verhinderte oft die Entwicklung von Werkzeugen der Kritik die innerhalb eines Wirtschaftssystems eingesetzt werden können. Eklatantes Unwissen von Seiten der Kunst ist die Folge. Es gelingt kaum, in einen Managementdiskurs oder in Corporate Strategies hineinzusehen, um dort über Prozesse zu lernen, die erhebliche gesellschaftliche Wirkungsmacht entfalten. Einige Tore müssen geöffnet werden, um tiefer hineinzukommen, sinnvoll Fragen stellen zu können und kritische Werkzeuge zu entwickeln. Das betrifft die Beschäftigung der Kunst mit Wirtschaft und umgekehrt.
Einer der klassischen Bereiche, wo das doch schon mal passiert, ist Kreativität. Der Mythos sagt, dass hier die Kompetenz des Künstlers liegt. Andererseits: Wer ist kreativer als der Unternehmensgründer, und es gibt viele Künstler - am Markt durchaus erfolgreich -, die rein reproduktiv arbeiten. Es ist beeindruckend, was für komplexe Werkzeuge zur Kreativität in der Wissenschaft entwickelt wurden - in Unternehmen dann unter dem Stichwort ‚Innovationsmanagement' zusammengefasst. Kaum ein Künstler würde Bücher darüber auch nur anfassen. Ob diese Unwilligkeit zu lernen der arrogante Stolz einer sterbenden Diva ist, oder ob bewusstes Nichtlernen Kulturtechnik ist, auch darum wird es in dem Reader gehen. Sonst spielt Kreativität keine große Rolle in diesem Buch, diese Baustelle müssen wir für später offenlassen.

Reduktion und Erweiterung

"Was man nicht messen kann, kann man nicht managen." Sooft dieses Paradigma auch infrage gestellt wird, es gehört zu den Kernsätzen zeitgenössischen Managements. Die Reduzierung von Ambivalenzen wird zur Notwendigkeit und dann zum Problem. Leises Unwohlsein beschleicht mich allerdings, wenn reduktionistisches Management in diesem Reader eine Menge Prügel bezieht, während Kunst immer wieder auf die Bühne gerufen wird, bis die Hände vom Applaus wehtun. Wahrscheinlich ist es an der Zeit, die atemberaubende strategische Erfolgsgeschichte, die moderne Kunst geschrieben hat, in diesem Zusammenhang kritisch unter die Lupe zu nehmen und den kulturell expandierenden Managementdiskurs auf der anderen Seite zu sehen.
Wie wäre es mit einem Kalauer? Ein Unternehmen ist wie ein Spezialist: [Satzzeichen geändert] Es weiß immer mehr über immer weniger, bis es alles über nichts weiß. Dem gegenüber steht logischerweise die Kunst: Sie lernt über immer breitere Felder, häuft also immer weniger Wissen über immer mehr an, bis sie nichts über alles weiß. Kunst läuft damit Gefahr, alles und damit nichts zu werden. Niklas Luhmann war der Meinung, Kunst hätte zu etwas gefunden, das ein stabiles System auf der Metaebene ist, das Systemveränderungen zum Paradigma erhoben hat. Es ist durchaus möglich, dass genau das zum Problem wird.
Ich komme noch einmal auf die gegenseitigen Vorstellungen von Kunst und Wirtschaft zurück. Sicher handelt es sich dabei auch um die Konstruktion eines Gegenübers, das sich aus dem Betrachter heraus definiert. Das hat etwas Touristisches - so wie die interessierten Besucher in einer Kunstgalerie oder der Künstler im Unternehmen, als Tourist in der Wirtschaft. Ob er trampend mit Rucksack unterwegs ist und sich subversiv und kritisch einschmuggelt, oder ob er First Class einfliegt als Change Consultant: Die Fotos, die er von der Reise mitbringt, werden fleißig in Alben eingeklebt und herumgezeigt. Es ist eigentlich ein Jammer, dass es kaum mehr Abende mit Urlaubsdias gibt. Heute: Mein Urlaub im Unternehmen. Im Reisebüro kann man drei Wochen Arbeit im Unternehmen am Schreibtisch buchen, ich hätte gern mittelständisch, Süddeutschland, wenn möglich Autobranche. Vollpension? Ja bitte. Aber zurück zum Thema. Was ist das eigentlic h für ein Projekt, dem der Reader entspringt?

Das Gesamtprojekt

Produkt & Vision ist ein interdisziplinäres Projekt, das von dem Künstler Mari Brellochs und mir entwickelt und gemeinsam mit dem Kunstfabrik am Flutgraben e.V. von April bis Oktober 2005 realisiert wurde. Mehr als 16 eingeladene Künstler(-gruppen) und zahlreiche Experten der Kunst-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus ganz Europa beschäftigen sich bei Produkt & Vision mit Schnittstellen und Trennlinien in und zwischen Kunst und Wirtschaft. Das Projekt sucht nach Möglichkeiten für Wissenstransfer und Synergien, benennt aber auch Abgrenzungen der beiden Bereiche. Es stützt sich dabei auf die Zusammenarbeit mit dem Cornelsen Verlag für Bildungsmedien und der systemischen Organisationsberatung osb-i. Cornelsen fungiert als Modellunternehmen, mit dem sich die Eingeladenen beschäftigen und Ideen, Kommentare und Kritiken entwickeln können. Der vorliegende Reader ist ein Projektbaustein, der das Format ‚Text' bedient - neben anderen Formaten wie Ausstellung, Website, öffentliche Podien und Runde Tische. Um einen Eindruck des Gesamtprojektes zu erhalten, sollte der Katalog hinzugezogen werden, der nach der Ausstellung (September 2005) ebenfalls beim Kulturverlag Kadmos erscheinen wird. Er bezieht die Positionen und Projekte ein, die im Verlaufe von Produkt & Vision entstanden sind.

Der Reader und wie er funktionieren könnte
Das Buch kann und will kein Feld wissenschaftlich sortieren. Auch wenn einzelne Texte diese Position einnehmen, ist es kein organisationstheoretisches, kunsthistorisches oder kunstkritisches Werk. Wenn ich sagen würde: Am ehesten ist es ein ‚Stück' Kunst, würde ich in die Falle tappen, die ich selbst gestellt habe. Produkt & Vision ist kein Kunstprojekt, auch wenn es aus der Richtung initiiert wurde. Es haben verschiedene Disziplinen ihre Stimme und sprechen zu einem verwandten Thema. Zentrale Methode des Gesamtprojektes und auch des Readers ist es, verschiedene Formate - Bilder, Texte, Performance - mit ins Spiel zu bringen. In diesem Sinne sind im Reader als dem textorientierten Projektteil die verschiedenen Textformate interessant, vom akademischen Text mit Fußnoten über Beratertexte mit Bulletpoints und knackigen Sätzen bis zu verknispelten und lyrischen Aussageformen. Quer zu den Textformaten stehen wissenschaftliche, unternehmerische und künstlerische Perspektiven. Im Reader wird versucht, jeweils Texte aus den verschiedenen Bereichen um ein Thema zu gruppieren. Als Künstler würde ich sagen: Das ist eine Ausstellung in Textformat. Wir haben es mit einem Krieg der Diskurse zu tun. Ein militärisches Wort ist angebracht, hier kommt Macht ins Spiel.
In diesem Sinne muss noch mal unterschieden werden: Kunstwissenschaftler sortieren anders als Künstler das tun. Das ist ähnlich bei Unternehmern/Managern und Wissenschaftlern. Die Praktiker haben meist weder die Zeit noch das Interesse, theoretisch zu systematisieren, was sie tun.


Die Kapitel

Die Texte sind zu drei Kapiteln gruppiert. In der ersten Gruppe - Gegeneinander? Kunst und Wirtschaft - sind Texte zusammengefasst, die sich auch inhaltlich explizit mit dem Thema Kunst versus Wirtschaft befassen. In Kapitel zwei und drei kann man beobachten, wie die verschiedenen Disziplinen über ähnliche Themen unterschiedlich sprechen. Kapitel zwei - Miteinander. Lernfähigkeit und ihre Grenzen - stellt dabei Material vor, das sich um den Begriff ‚Lernfähigkeit' dreht. ‚Lernfähigkeit' hat sich in Produkt & Vision als Begriff herausgestellt, der in allen Disziplinen wichtig ist. Die Frage nach dem Lernen beginnt bei der Lernfähigkeit des Einzelnen und geht in die Lernfähigkeit von Organisationen über.
Dass Lernen generell eine positive Eigenschaft ist, wird als gegeben angenommen. Im Buddhismus würde man das durchaus anders sehen oder Lernen anders kategorisieren. Die Geschichte von Adam und Eva in christlicher Tradition, die vom Baum der Erkenntnis aßen und dafür verdammt wurden, beschäftigt sich mit dem Thema. Und es waren keinesfalls nur finstere, machthungrige Gestalten mit dem Wunsch, ihre Umwelt in Unwissenheit zu knechten, die den Zusammenhang zwischen Wissensmenge und Glücksmöglichkeit aufmachten.
In einem Gespräch zwischen der Skulpturprofessorin Phyllida Barlow und dem Kulturtheoretiker Norman Bryson führte Phyllidas listige Bemerkung zum Dissens: "Bücher? Ich benutze Bücher, um drauf zu sitzen." Die Haltung, das ‚Kopflastigkeit' der Kunst abträglich sei, ist bei Künstlern wie Rezipienten weit verbreitet. Es scheint etwas an der Auffassung dran zu sein, dass Wissen Sensibilitäten zuschütten kann. Traditionell würde man von Weisheit sprechen, die man eine Mischung aus Wissen, Erfahrung und deren Anwendung und Sensibilität nennen könnte. Begriffe wie optische, haptische und soziale Intelligenz könnten eine verbale Brücke sein, ohne theoriefeindlich zu werden.
Kapitel drei - Voneinander. Kulturelle und soziale Verantwortung - ist wohl am schwierigsten zu umreißen. Man könnte eine strukturelle Analogie vorschlagen, zwischen der Geschichte der Kunst und der Wirtschaft. In der Kunst lautet eine der alten Fragen: Interessiert sich der Künstler für die Gesellschaft, für die Politik, glaubt er, dass Kunst die Welt verändern kann, oder macht er Kunst für die Kunst? Das könnte man mit zwei Grundhaltungen in der Wirtschaftsgeschichte vergleichen: Die erweiterte Perspektive gesellschaftlich verantwortlicher Unternehmen nennt man seit einiger Zeit Corporate Social Responsibility (CSR). Ob das Engagement dabei als strategisch wichtig zur langfristigen Profitoptimierung angesehen wird oder rein philanthropisch, ist dabei unerheblich. Auf der anderen Seite, quasi das L'art pour l'art-Argument der Wirtschaft, stehen die, die den Fokus auf Profit als einzig wahre Kernaufgabe des Unternehmens sehen. In diesem Kapitel kommen vorwiegend diejenigen zu Wort, die der Meinung sind, man müsste den großen Kontext einbeziehen und die Welt optimieren. Sei es auch nur, um selbst besser zu funktionieren.


Hotel, abends. Die Gäste.

Beim Konzipieren des Buches sah ich immer das Bild eines Hotels vor mir. Jeder Autor bezieht mit seinem Text ein Zimmer, er kommt von einer Reise und packt aus. Instrumente kommen zum Vorschein, und jeder beginnt zu spielen. Die Wände sind dünn, und bald hört man eine Kakophonie von Tönen. Vielleicht gibt es ja eine Hochzeit zu feiern, und das Paar geht hinaus in den dunklen Park und hört von weitem Musik und Gelächter im erleuchteten Haus. So hören auch wir den Lärm und versuchen, Melodien zu erkennen. Nach einer Weile gehen wir hinein, um die Besucher auf ihren Zimmern zu treffen und ihre Instrumente zu sehen. Sie zu bitten, im Zimmer zu musizieren, erscheint vielleicht merkwürdig, aber die Erfahrung hat gelehrt, was geschieht, wenn wir unvermittelt alle auf der Bühne zum Orchester gruppieren: Über das Stimmen der Instrumente würden wir nicht hinauskommen, und nach mehreren Stunden würden die ersten die Bühne wieder verlassen. So haben wir Gelegenheit, die Gäste in ihren Zimmern beim Musizieren zu erleben. Es zusammenzuhören, ist zunächst uns überlassen.
Wenn der Reader das Hotel ist, ist Gary Days Text wohl der Herr am Empfang, der uns erklärt, wie man zum Hotel kommt wo die Zimmer sind und wie der Fluchtplan läuft. Dabei hat er einen kulturhistorischen Zugriff, der im 19. Jahrhundert beginnt, und Momente im gegenseitigen Betrachten von Ökonomie und Kultur beleuchtet. Es ist bezeichnend, dass es eine britische Perspektive ist. Von Adam Smith über die Arts & Crafts-Bewegung und William Morris bis zur Institution Arts & Business kamen immer wieder zentrale Impulse von dort. Gary Day kommt über die Literatur und deren Beziehung zur Wirtschaft. Er macht das an F. R. Leavis (1895-1978), dem wohl einflussreichsten britischen Literaturkritiker und Publizisten im 20. Jahrhundert und dessen Verhältnis zur Wirtschaft fest. Day endet mit einigen deutlichen Schlussfolgerungen über die sich spezialisierende Kulturkritik auf der einen und die immer generalistischer werdende Managementtheorie auf der anderen Seite.
Auch der zweite Text des Buches ist noch auf der Empfangsseite zu suchen. David Barry sitzt auf der Treppe und erklärt uns, dass wir auch gemeinsam den Lift nehmen könnten. Barry, Organisationswissenschaftler, der sich eingehend mit Interferenzen von Kunst und Unternehmen beschäftigt hat, führt den Begriff des ‚Mediaten' ein, eines Gegenstandes, Textes oder Wortes mit der Funktion, als vermittelndes "Drittes" die Kommunikationssituationen zu verändern und stimulieren. Man könnte das als methodischen Kommentar zum Vorgehen in diesem Reader lesen, mehr noch zum Gesamtprojekt Produkt & Vision, in dem verschiedene Themenschwerpunkte und konkret das Modellunternehmen Cornelsen die Rolle von Mediaten einnehmen. Im ersten Anlauf spricht man nicht zueinander, sondern gemeinsam über etwas, das dann eine Brückenfunktion übernimmt. Klassischerweise könnte ein Mediat ein Kunstwerk sein, vor dem man steht und über das gemeinsam gesprochen wird. Barry erweitert das jedoch ganz wesentlich vom Objekt zum Prozess und bezieht die Spieler mit ein.

Gegeneinander? Kunst und Wirtschaft

Wo Gary Day die Verengung der Kulturkritik beklagt, bekommen wir bei Holger Kube Ventura deutlich gemacht, wie das funktioniert. Er macht die alte Frage auf: Ist das Kunst, und warum sollte man das diskutieren? In dem Fall: Ist Organisation Kunst? Es geht um Definitionsmacht und Zuschreibungen, und relativ rasch wird klar: In dieser alten Frage steckt auch für diesen Kontext Zentrales, weil Kunst wesentlich über ihre Definition, und die Macht zu dieser Definition existiert und wirksam wird. Das es sinnvoll ist, den Begriff Kunst weiterhin zu benutzen, bezweifelt er angesichts des reduktionistischen Kunstsystems. Dass es aber strategisch und politisch Sinn machen kann, erkennt er an. Wenn Kube Venturas Text zunächst eine klarsichtige interne kunsttheoretische Abhandlung ist, vermittelt sie Fachfremden vor allem eins: Diskursregeln. Hier wird aus dem Nähkästchen geplaudert, um zu verstehen, was auf Künstlerseite abläuft, wenn sie sich auf Organisationen einlassen. Darüber hinaus scheint es mir interessant zu sehen, dass in diesem Text eine Dimension mitschwingt, die sonst etwas zu kurz kommt: die des Politischen und die der Macht.
Politik, Macht und strategisches Operieren gehören zusammen. Dass der zeitgenössische Kunstbetrieb einen so enormen strategischen Erfolg und Machtzuwachs durchsetzen konnte, ist auch der Managementtheorie nicht verborgen geblieben. Das interessiert Thomas Bauer. Aus einem unternehmensberaterischen Hintergrund kommend, untersucht er in einem kenntnisreichen wissenschaftlichen Text die mögliche Nutzung von Strategien aus der Kunst für Unternehmen. Er versucht in die - oft als Black Box angesehenen - Arbeitsweisen der Künstler hineinzuschauen.
Bauer differenziert immer weiter aus, welche Arten von Interaktion mit Unternehmen nicht weiter führen und welche Aspekte von Tätigkeiten bei welcher Art von Künstlern das lohnende Feld sind. Er fokussiert auf "künstlerische Handlungsmuster, (...) die darauf abzielen, Einstellungen und Verhalten des Zielpublikums entsprechend den jeweiligen Intentionen des Künstlers zu ändern." Symbolisierung, Intervention und Interaktion sind die Mittel, die der Künstler in seiner kulturellen Innovationsstrategie einsetzt. Bauer sieht hier Lernpotenzial für den ‚Unternehmensstrategen', der mithilfe ‚kultureller Innovation' die Haltungen des Stakeholders bezüglich des Unternehmens besser ‚managen' könnte. Ich sehe meine Kollegen und Kunstbeflissene schon auf- und niederspringen: aus Zorn oder aus Interesse an dem neuen Job. Auch wenn der Text nicht für den Kunstdiskurs gedacht ist: Dort sollte er auch diskutiert werden.
Dirk Baeckers systemtheoretische Annäherung an die "ausdifferenzierten Systeme" Kunst und Wirtschaft könnte in der Tat die Kunst ein wenig überschnappen lassen vor Bedeutungsgewinn. Aber da scheint es strukturell eingebaute Bremsen zu geben. Die Funktion der Kunst, die sie unfreiwillig bis widerwillig erfüllt, lokalisiert Baecker an der Schnittstelle zwischen Kommunikation und Bewusstsein, ein Ort, in den Medien und Technik nicht hineinreichen. Baecker am Ende seines Textes: "Unterhaltung überspielt die Differenz zwischen Kommunikation und Bewusstsein. Die Kunst macht sie zum Ereignis." Peter Hankes folgender Text ist überschrieben: "Kunst jenseits von Unterhaltung". Na bitte. Hanke, Dirigent und Mitgründer des Center for Arts and Leadership in Kopenhagen poltert richtig los. Gegen die alles vereinnahmende Kulturindustrie und Unterhaltung geht es, alles riecht nach dem ‚Mülleimer des Konsums'. Als Referenzpunkt wird die Renaissance gesetzt, in der eine breite Durchdringung von ästhetischem Verständnis, Kreativität und Wirtschaftskraft gegeben war. Gegenpol zu Markt und Konsum ist Bildung und die Rolle des Künstlers, die eines ethischen Beraters der Gesellschaft. Dass Künstler selbst oft zu faul und zu arrogant sind, sich mit ihrem Gegenüber wirklich zu beschäftigen, handelt er so nebenbei auch noch mit ab. Wenn mich die Sache mit dem Künstler als ethischer Berater auch ein wenig aufhorchen lässt, gefällt mir dies Gepoltere doch gut, das Machtgerangel der Diskurse schwingt wieder mit, das als elementare Triebfeder für Ausdifferenzierung auch willkommen ist.
Den Versuch, Metadiskurse zu etablieren, gibt es immer; lange hat die Philosophie daran geglaubt, manche wollen es jetzt der Kunst zuschreiben, und die abendländische Wissenschaft hat sich lange in dieser Rolle befunden. Wissenschaft als ein System neben anderen auch formal wahrzunehmen, ist Teil der Methodik dieses Readers, und dazu haben wir hier ein kleines Experiment eingefügt: Wir drucken von einer exemplarischen Konferenz beispielhaft neun der dort eingereichten Abstracts ab.
Der Wissenschaftsdiskurs im Feld von Kunst und Wirtschaft ist mit verschiedenen Schwerpunkten in den letzten Jahren explosionsartig gewachsen. Der Beitrag von Olga Belova, die die Auswahl und Moderation der Abstracts übernahm, dient hier als Momentaufnahme. Der Form nach ist die Konferenz ein akademisches Format mit bestimmten Regeln und Möglichkeiten. Die Abstracts sind authentische Marker, die Denkweisen und Fragen der aktuellen Wissenschaft zeigen - und gleichzeitig das Format ‚Konferenz' beleuchten.
Kent Hansen, Künstler, schreibt in einem akademischen Stil und nennt eine Reihe von Missverständnissen, Mythen und Lügen, die im gegenseitigen Betrachten üblich sind. ‚Correlative Practice' nennt Hansen das, was optimal zu erwarten ist, wenn Künstler mit Organisationen arbeiten. Er konzentriert sich auf die Veränderung der Kommunikationsbedingungen in einer Organisation. Das Erreichen einer ‚Leere' oder ‚Stille' als Bedingung dafür, dass die Individuen in einer Organisation eine neue Art der Kommunikation wagen, dürfte zentral sein. Die Verbindung zu dem Label ‚Demokratische Innovation', unter dem Hansen seine Aktivitäten bündelt, wird deutlich. Besonders interessant ist die Rolle, die er so genannten ‚Working Artefacts' einräumt - durchaus mit traditioneller Referenz zu physischen und visuellen Qualitäten von Kunstwerken. Diese ‚Working Artefacts' scheinen mir verwandt zu sein mit dem, was David Barry ‚Mediaten' nennt.
Auf Hansens Projekt ‚Industries of Vision' bezieht sich Martin Ferro-Thomsen, der den Begriff ‚Organisational Art' (OA) einführt und damit Interventionen und Kooperationen von Künstlern in Organisationen bezeichnet. Während Unternehmensberater auf Probleme fokussieren, tendieren Künstler dazu, auf Möglichkeiten hinzuweisen. Es entsteht eine Lernbeziehung, die gegenseitig ist und im besten Fall die Fähigkeit zur Selbstdiagnose verbessert und dazu führt, dass Organisationen ihre Probleme selbst lösen. Durch die Arbeit in der Organisation erschließt sich der Kunst wiederum ein Stück Realität, ein Stück ‚wirkliches Leben'. "Der Kontext ist das halbe Werk" - das Axiom der Artist Placement Group ist auch für ihn zentral, wenn es um die Definition dieses bestimmten Feldes innerhalb künstlerischer Praxis geht. Ferro-Thomsen sieht in dieser Praxis Lernpotenzial für beide Seiten, was ihn zum wunderbaren Übergang zum zweiten Block im Reader mac ht, den wir unter die Überschrift ‚Lernfähigkeit' gesetzt haben.


Miteinander. Lernfähigkeit und ihre Grenzen

Lernen und Bilden sind ein spannendes Paar. Lernen kann eine selbstbestimmte Tätigkeit sein, während Bilden kulturell bestimmt ist, wenn es nicht gar mit dem schwierigen Zivilisationsbegriff zusammenhängt.
Mari Brellochs, Künstler, bezieht sich direkt auf den Cornelsen Verlag für Bildungsmedien und zitiert deren Spruch: "'Bildung ist die wichtigste Investition in den Menschen'. Was ist Bildung? Über welche Menschen, welches Menschenbild, in das man investieren kann und soll, spricht Cornelsen/sprechen wir hier? Was ist eine Investition?" Durch diese Art, die Fragen zu stellen und zu verketten, schaltet Brellochs einen Scheinwerfer an, und wir erkennen, dass da ziemlich sumpfiges Terrain liegt. Bildung als Investition - erinnern wir uns, was Gary Day über Managementdiskurs und Sprache gesagt hat. Brellochs geht aber weiter, er stellt die Künstler als Spezialisten für Metaphern und Bilder vor. Das nimmt sie in die Verantwortung, aber eröffnet auch die Chance, diese Spezialisten für Irrationales, A-Funktionales und Emotionales in Zusammenhang mit Unternehmen zu bringen, um sie zu verändern und die wachsenden Herausforderungen der Umwelt bewältigen zu können. Darauf zielt auch der folgende Text, wenn er den selektiven und gezielten Einsatz der Tätigkeit ‚Lernen' vorstellt.
Torsten Groth, von Haus aus Sozialwissenschaftler mit einer langen Reihe von Veröffentlichungen zur Managementtheorie leiht hier seine Stimme dem amerikanischen Organisationswissenschaftler Karl Weick. Was um alles in der Welt tut dieser Text hier? Ich hatte mich darauf gefreut, mich jetzt wortreich zu verbreiten, aber mache es nun doch spannend. Ich sage nichts außer: Es könnte sein, dass es der Schlüsseltext zum Reader ist. Er ermöglicht, eine ganze Reihe Dinge aus anderen Texten neu in Beziehung zu setzen. Einer alten Methode folgend, brauchte man zum Beispiel nur das Wort ‚Organisation' im Text gegen ‚Kultur' oder gar ‚Kunst' auszutauschen, und ich kann nicht unerheblichen Erkenntnisgewinn versprechen.
Mit Rudolf Wimmers Text konzentrieren wir uns dann ganz auf Lernfähigkeit. Der Wissenschaftler und Unternehmensberater Wimmer erläutert Grenzen, Probleme und Vorraussetzungen für lernfähige Organisationen aus systemtheoretischer Sicht. Von einer lernfähigen Organisation spricht Wimmer, wenn sie in ihren internen Prozessen und in ihren Außenkontakten über offene ‚Entscheidungsfindungsprozesse' verfügt, bestimmte Irritationen als Lernimpulse zu nutzen und andere zu übergehen weiß. Das eigene, teils unbewusste Lernen zu kennen, ist dazu unabdingbar. Kommunikationsstrukturen kommt dabei die entscheidende Rolle zu, weil kommunikative Aushandlungsprozesse "eventuell zwischen allen Mitgliedern und Einheiten einer Organisation zu einer gemeinsam getragenen Problemlösung" führen sollen.
Was Wimmer theoretisch erarbeitet, wird bei Bernhard Krusche in die Tat umgesetzt. Krusche, Unternehmensberater mit systemischer Ausrichtung, spricht über die konkreten "Stellhebel", an denen man in einem Unternehmen stellen muss, um Aussagen über die Lernfähigkeit zu bekommen und diese zu verändern. Er schreibt den wunderbaren Satz: "Wer keine Fehler macht, lernt nicht" und plädiert für das sinnvolle Einsetzen von Lernen/Nichtlernen. Ob Personalmanagement, Fehlerverarbeitung, Führungskoalition: Hier wird angepackt. Der Text ist numerisch gegliedert, kein Absatz länger als zehn Zeilen, und Bulletpoints gliedern dazwischengeschobenen Listen. Der folgende Text ist durch Fragen gegliedert und lässt fünf Künstler bzw. Künstlergruppen, die an Produkt & Vision beteiligt sind, zu Wort kommen. Wo eine Organisation ‚Stellhebel' braucht und Mut, Fehler als Lernmöglichkeit zu besprechen, ist künstlerisches Lernen wohl persönlicher und auch weniger übersetzbar.


Voneinander. Kulturelle und soziale Verantwortung

Das letzte Kapitel wir durch ein Gespräch eröffnet. Die Künstler Armin Chodzinski und Enno Schmidt sprechen mit Konstantin Adamopoulos, einem Kritiker und Kurator. Exemplarisch kann man an Sprache und Haltung verfolgen: In jeder Wendung der Sätze und der Bedeutungen sind multiple Annäherungen eingeschlossen. Behutsam und klug fragt Adamopoulos nach. Chodzinski bringt die Bourdieu'sche Unterscheidung zwischen ökonomischem und symbolischem Kapital ins Spiel, der Effizienzbegriff wird mit verschiedenen Registern gespielt. Ein fundamentales Misstrauen gegen Wirtschaft und Kunstbetrieb, wie sie jetzt funktionieren, manifestiert sich. Aber es ist wichtig, dass Ökonomie und Unternehmen in kulturellen Dimensionen gedacht werden. Auch wenn sich ein gewisser Fatalismus nicht leugnen lässt, gesellt sich dem eine freundliche visionäre Energie hinzu. Enno Schmidts Text, der sich anschließt, bezieht sich direkt auf Corporate Social Responsibility (CSR), und er beklagt das Sterben von an sich guten Ideen, wenn CSR in Programme und ISO-Normen in Abrechenbarkeiten verkürzt werden. Bevor er zu Fallstudien kommt, läuft er zu Hochform auf: "Wirtschaft ist das Geschehen tatkräftiger Nächstenliebe." Wenn die das richtig machen, sollte genau das eigentlich ihre Kernkompetenz sein! Gut so! Begeistert nehme ich zur Kenntnis, dass mit Schmidt - der sich mit Rudolf Steiner befasst hat - ein ganz anderes Vokabular in den Reader kommt. Die spirituelle Dimension, die in Managementzusammenhängen durchaus en vogue ist, haben wir bisher weitestgehend ausgeblendet. Ebenso tritt als Thema ‚Alternative Ökonomien', ein nicht in Erscheinung, dass ein Nachfolgeprojekt sein könnte. Auch das spielt bei Enno Schmidt eine Rolle, er spricht über das Schenken als kulturbildende Geste.
Um CSR geht es auch bei Claus Noppeney, Ökonom. Er umreißt kurz den ideengeschichtlichen Hintergrund, vor dem CSR entstand. Wenn das (klassische) Credo lautet: "Die soziale Verantwortung eines Unternehmens besteht darin, die Gewinne zu maximieren", ist CSR überflüssig, weil Ethik und Geschäft eins sind. Der Markt als immer noch gern zitierter Alles-Regelmechanismus. sollte wohl endgültig in den Bücherschrank der historischen Denkfiguren, CSR ist zumindest ein Indiz dafür. Obgleich viele der PR-technisch gedachten CSR-Programme von Unternehmen eher peinlich sind: Ein kulturelles Umdenken scheint eingesetzt zu haben, dass mehr als eine Modeströmung ist. Das man die kulturelle Umwelt verstehen, ja sie überhaupt erst einmal sehen können muss, darum geht es im folgenden Text.
Der Familientherapeut und Organisationsberater Fritz B. Simon geht zu Beginn seines Beitrags darauf ein, wie Kultur auf verschiedenen Ebenen definiert wird. Dann stellt er ausführlich Regeln auf, die Kultur konstituieren, und langsam verengt er den Fokus, um auf Unternehmen und ihre kulturelle Einbettung zu kommen. Wie ist das Unternehmen als soziales System mit seiner (kulturellen) Umgebung vernetzt, und wie kann es - relativ zu diesen Regeln und denen, die sie verstehen - sich positionieren und funktionieren? Da könnte Kunst ins Spiel kommen. Kunst wird als Instrument vorgeschlagen, das die kulturellen Regeln, in denen ein Unternehmen steht, erst sichtbar macht. Weil: Was so selbstverständlich stattfindet wie das tägliche Zähneputzen, wird als Regel nicht plastisch. Da Kunst an den Rändern dieser Regeln herumturnt und qua Definition Grenzverletzer spielt, kann sie probates Mittel sein, die kulturelle Umwelt zu erfassen und daraus folgend zu pflegen.
Über genau diese Einbettung führt auch bei dem Künstler Ruediger John der Weg zu sinnvoller Veränderung. Er nennt es ‚kritisch-ästhetisches Coaching', über das Wertebildung und Erkenntnisfähigkeit in Unternehmen befördert werden können. John bindet diese Art Arbeit zurück auf die Kunst, er benutzt den Begriff ‚Systemische Kunst' und reklamiert eine Veränderung im Kunstbegriff. Es ist interessant, das mit Kube Venturas Text zu verspannen. Bei John schwingt ein polemischer Unterton mit. Da hat jemand Druck, will eingreifen, das geht ihn persönlich an. Soweit auch ganz Künstler, ist er aber klug genug, nicht den einfachen Fallstricken postmarxistischer Kritik zu erliegen. Der Begriff des Kritischen wird allerdings erhalten und - mit Ästhetik kombiniert. Es gibt soviel Definitionen, was ‚ästhetisch' sei, wie es Leute gibt, die darüber sprechen, heißt es. Natürlich ist es eine wichtige Frage, ob der Begriff ‚ästhetisch' in dem, was wir Kunst nennen, noch wichtig ist, ob er sich an anderer Stelle lokalisieren lässt, oder ob er überhaupt ein noch brauchbares Werkzeug ist. Seine Flexibilität könnte ihn wieder attraktiv machen. Vielleicht hilft ein Blick in Wendelin Küpers Text, der ausführlich mit dem Lindwurm Ästhetik kämpft, oder ein Blick auf die in diesem Buch nicht wirklich vertretene Richtung der ‚Organisational Aesthetics'.
Wendelin Küpers ist im Reader derjenige, der - vor einem phänomenologischen Hintergrund - Ästhetik am stärksten beschwört. Ästhetische Vorgehensweisen, die ‚funktionslose Funktionen' haben, können helfen, zweckrationale Vorgänge zu hinterfragen und eingeschliffene Routinen des ökonomischen Lebens wieder fit zu machen. Das verdichtet sich, wenn Küpers zur ‚responsiven' Begegnung von Kunst und Wirtschaft kommt und von einem ‚differenzsensiblen In-Beziehung-setzen' spricht, "bei dem das, was unterschieden wird, erst entsteht". Die Bedingungen, die Materialien in ihrer Bearbeitung dem Künstler auferlegen - Marmor reagiert anders als Kreide -, bestimmen die Vorgehensweise. Der Künstler muss dem Material zuhören. Diese Art von Dialog, von ‚responsiver Praxis' ist es, an die Küpers denkt, wenn er einen ‚wertschöpferischen Überschuss' aus dieser Praxis erhofft. Dieser Überschuss könnte einer zivilgesellschaftlichen Vision zugute kommen.
Matt Statler, Philosoph, der in Organisationsforschung und Unternehmensberatung tätig ist, greift auf die klassische griechische Unterscheidung zwischen Wissenschaft (episteme) und praktischer Weisheit (phronesis) zurück. Statler beschreibt die Verständnisgrenzen, an welche die heute herrschende Wissenschaft stößt und plädiert für eine Neubewertung der praktischen Weisheit im Managementdiskurs. Die ‚wertfreie Managementwissenschaft'‚ gerät zunehmend in Diskredit, schön bringt der zitierte Titel eines Essays es auf den Punkt: "Schlechte Managementtheorien zerstören gute Managementpraxis". Den Fokus wieder aufziehend, greift Statler noch mal auf die Griechen zurück: Plato sah Gymnastik und Musik als Ausbildungsgrundlage für Führungskräfte an, Aristoteles legte großen Wert auf das Drama. Gemeinsam ist dem, und hier setzt der Bogen des Textes wieder auf, dass Spiel, ernsthaftes Spiel (serious play) ein Mittel ist, um praktische Weisheit zu schulen. Die Disproportion, die durch reduktionistische Managementtheorie und ihre Auswirkung auf die Wirtschaft entstanden ist, könnte wieder ausgeglichen werden. Das dem so sein wird, da ist sich auch Pierre Guillet de Monthoux sicher. Mechanistische Managementideen Gerade mal noch in China und Russland interessant! Es ist eine etwas melancholische kleine Erzählung - er trägt sie natürlich singend vor -, die den Reader beschließt, eine Erzählung über die Rolle, die er in einem Kunstwerk spielte. Der Managementprofessor als Performance, die Verkunstung und Musealisierung des alten Managements beobachtend, mit einigem Zweifel über das, was die Kunst da tut. Das tut gut, nach all dem, was der Kunst im Verlaufe dieses Readers zugute gehalten wurde, und ich muss noch mal bei Kube Ventura nachlesen, ob man die Kunst nicht lieber Kunst sein lässt, und gleichzeitig die Managementtheorie in den russischen Winter schickt und schaut, was im gemeinsamen Tun entsteht. ‚Praktische Weisheit' ist ein schöner Begriff, der als Leitmotiv dienen könnte. Aber so einfach lassen sich deterministische Kunst und Wirtschaft nicht in die Wüste schicken und ich vermute mal, diese beiden halten noch einiges an Reproduktionsmechanismen parat. Das Spielfeld wird offen bleiben, aber wenn man gemeinsam mit so fantastischen Leuten daran arbeiten kann, wie all denen, die an diesem Reader mitgewirkt haben, freu' ich mich drauf. Ich hab' jetzt Hunger und schau mal, ob unten an der Hotelbar noch ein Sandwich zu bekommen ist, und vielleicht ist auch das Gruppenfoto ein wenig vorangekommen, und der Fotograf hat eine neue Platte eingelegt.


Danksagung


Bei allen, die mit ihrem Einsatz zum Zustandekommen des Readers beigetragen haben, möchten Mari Brellochs und ich uns bedanken - allem voran bei den Autoren für die Energie und Bereitschaft zur Mitarbeit, für Nachsicht mit Kommunikationspannen, Übersetzungsschwierigkeiten und Kürzungen. Wir möchten uns bei all denen bedanken, die uns beraten haben; die Liste wäre zu lang, um sie hier zu erwähnen. Bernhard Krusche hat mit Vorschlägen und Vermittlungen maßgeblich die Struktur des Readers beeinflusst. Besonders bedanken möchten wir uns natürlich bei dem Team, das den Reader betreut hat. Schlechtes Gewissen beschleicht uns, dort als Herausgeber zu prangen. Dank an Franziska Eidner, ohne deren aktiven und vielfältigen Einsatz der Reader nicht zustande gekommen wäre, Thomas Klauck für seine ruhige und intelligente Arbeit an den Texten, Svenja Moor für ihr genaues Auge beim Lektorieren, Lorna Neuber, die uns mit einem Neugeborenen auf dem Arm Texte aus dem Englischen übertragen hat, ebenso bei Andrea Wilhelm und Marit Münzberg [abstracts], dort ohne Neugeborenes. Sophie Olfers und Paul Compton hatten die Last der Übersetzungen ins Englische zu tragen, Joshua Dilworth und Martin Vogl lasen die Texte im Englischen gegen, und die Kunstfabrik am Flutgraben war uns Gastgeber. Der Kulturverlag Kadmos betritt für sich Neuland und gibt dieses Buch zweisprachig heraus. Danke.